Werde Teil der globalen Nachbarschaft

Stell Dich an die Seite von Saúl Luciano Lliuya und der Menschen in Huaraz, die von einer Flutkatastrophe bedroht sind.

Klimaklage gegen RWE in entscheidender Phase: Ortstermin mit Gutachtern in Peru abgeschlossen

Verfahren eines peruanischen Kleinbauern gegen Essener Konzern am OLG Hamm: Richter:innen und Prozessparteien nach Peru gereist / Gutachter haben Gefahr einer möglichen Flutwelle für Haus des Klägers untersucht

Huaraz/Bonn (27. Mai 2022). Die Klimaklage des peruanischen Andenbauern und Bergführers Saúl Luciano Lliuya gegen den Energiekonzern RWE ist sechseinhalb Jahre nach Klageeinreichung in die entscheidende Phase eingetreten: Nach langer Verzögerung insbesondere wegen der Corona-Pandemie hat in dieser Woche ein Ortstermin in der Andenstadt Huaraz stattgefunden. Richter:innen des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm, Rechtsbeistände und Sachverständige sind nach Peru gereist, um zu überprüfen, ob das Haus des Klägers tatsächlich von einer möglichen Flutwelle des oberhalb der Stadt liegenden Gletschersees Palcacocha bedroht ist. Die gesamte Gefahrenzone in Huaraz umfasst sogar ein Gebiet, in dem rund 50.000 Menschen leben.

Der Kläger freut sich, dass das weltweit so beachtete Verfahren nun wieder Fahrt aufnimmt: „Ich hoffe, dass die Richterinnen und Richter sowie auch die Vertreter von RWE durch ihren Besuch erkannt haben, welchem ständig steigenden Risiko wir hier ausgesetzt sind. Die Frage ist für uns nicht, ob eine Flutwelle droht, sondern wann und wie schlimm sie uns trifft. Ich bin auf die Einschätzung der Sachverständigen gespannt.“

Durch den Klimawandel in den Anden ist der Gletschersee seit 1970 um das 34fache seines Volumens angewachsen. Nach Einschätzung früherer Studien wird es immer wahrscheinlicher, dass angesichts des tauenden Permafrostes und der schmelzenden Gletscher große Eis- und Felsteile in den See stürzen. Eine dadurch ausgelöste Flutwelle hätte verheerende Folgen für die Familie des Klägers und die Bewohner:innen von Huaraz, so die Seite des Klägers.

Dieser zivilrechtliche Fall auf der Basis des § 1004 BGB ist ein Präzedenzfall dafür, ob angesichts der Klimakrise die größten Emittenten weltweit den von den Folgen betroffenen Menschen anteilsmäßig Schutz und Schadensausgleich finanzieren müssen.  Die Forschung, die Schäden und Risiken dem globalen Klimawandel zuordnen kann, hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht.

Verfahren hatte bereits 2017 Rechtsgeschichte geschrieben

Mit dem Beschluss von 2017 zum Eintritt in die Beweisaufnahme hatte das Oberlandesgericht Hamm bereits Rechtsgeschichte geschrieben: Erstmals weltweit stellte ein Gericht fest, dass ein privates Unternehmen mit sehr großen Emissionen prinzipiell für den Schutz von Betroffenen vor mitverursachten Klimarisiken zur Verantwortung gezogen werden kann – gemäß seines Anteils an der Verursachung. Dies, so das Gericht, gelte angesichts der weltweiten Wirkung der freigesetzten Treibhausgase auch für Schäden in der „globalen Nachbarschaft“, in diesem Fall in Peru.

Nach dieser rechtlichen Klärung geht es nun darum, in diesem Einzelfall den wissenschaftlichen Zusammenhang zwischen den CO2-Emissionen der Beklagten (RWE) und dem Risiko für den Kläger zu beweisen. Im derzeitigen ersten Schritt der Beweisaufnahme soll das Flutrisiko eingeschätzt und geprüft werden, ob das Eigenheim des Klägers und seiner Familie tatsächlich von einer solchen Flutwelle bedroht wäre.

Luciano Lliuyas Rechtsanwältin, Dr. Roda Verheyen: „Ich freue mich für meinen Mandanten, dass nun eine Entscheidung in der Sache ansteht. Die aufgenommenen Beweise sind überwältigend. Wir hoffen, dass es jetzt zu einem schnellen weiteren Verfahren und Urteil kommt, damit mit den notwendigen Schutzmaßnahmen endlich begonnen wird.“

Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch, die die Klage von Luciano Lliuya schon seit Beginn unterstützt: „Es war ergreifend zu sehen, wie der Fall inzwischen von der Regionalregierung, dem Nationalpark und in den umliegenden Dörfern unterstützt wird. Der Fall ist schon jetzt ein weltweit relevanter Präzedenzfall: Wer andere durch große Mengen freigesetzter Treibhausgase schädigt, trägt Verantwortung für die Schäden – angesichts der globalen Wirkung des hier freigesetzten CO2 auch in der globalen Nachbarschaft. Wenn nun auch die wissenschaftliche Evidenz in diesem Fall dargelegt werden kann, dann wir das erhebliche Konsequenzen für Justiz, Politik und Finanzmarkt weltweit haben.“

Die deutsche Stiftung Zukunftsfähigkeit hat sich zu Beginn des Verfahrens verpflichtet, in diesem Präzedenzfall alle dem Kläger entstehenden Kosten zu übernehmen und ruft dafür regelmäßig zu Spenden auf.

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