Gericht entscheidet am 14.04.2025

Am 14. April wird das Gericht mitteilen, wie es in der Klimaklage von Saúl Luciano Lliuya gegen RWE weitergeht. Hier findest du alle Informationen zur Klage und der anstehenden Entscheidung.

Zeitenwende für Betroffene der Klimakrise - Großemittenten in der Verantwortung

Kläger Saúl in Llupa

Dieser Artikel ist am 30.5. 2025 im Tagesspiegel Background erschienen. 

Nach fast 10 Jahren kam das Verfahren des peruanischen Bauern Saúl Luciano Lliuya am Mittwoch in der zweiten Instanz zu einem Ende. Seine Klage wurde abgewiesen und doch ist sie ein Erfolg: Das Oberlandesgericht Hamm stellte fest, dass Großemittenten wie RWE grundsätzlich nach dem deutschen Zivilrecht für Folgen des Klimawandels haftbar gemacht werden können.

Von Anfang wollte Saúl Luciano Lliuya mit seiner Klage nicht nur im Einzelfall gewinnen, sondern die Rechte aller Menschen, die den Gefahren der Klimakrise ausgesetzt sind, gegenüber den Verursachern stärken. Das ist ihm gelungen. Das von ihm erstrittene Urteil markiert damit einen Wendepunkt für Betroffene der Klimakrise und die Pflichten von Unternehmen mit hohen Emissionen. Ab jetzt müssen diese nicht nur die Folgen der Klimakrise einpreisen, sondern auch Rücklagen für eine mögliche Haftung bilden. Es ist an der Zeit, klare rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, um Großemittenten für die von ihnen geschaffenen Risiken und Schäden in die Pflicht zu nehmen.

Betroffene der Klimakrise können nicht mehr ignoriert werden

Gerichte wenden Recht an und entscheiden im konkreten Fall. Politik hingegen muss erkennen, wenn ein strukturelles Problem in einem Verfahren offenbart wird, das eine politische Reaktion erfordert. Im Verlauf dieses Verfahrens wurde ein weit über den Einzelfall hinausgehender Missstand deutlich sichtbar: Statt der Unternehmen, die jahrzehntelang von klimaschädlichen Geschäftsmodellen profitiert haben, tragen in der Realität einzelne Betroffene und teilweise auch Staaten mit historisch geringen Emissionen die Kosten der Klimakrise.

Mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm ist klar: Das Recht steht auf der Seite der Betroffenen. Wenn sich eine Rechtsgutsverletzung wie die Beeinträchtigung des Eigentums auf die Klimakrise zurückführen lässt und ein Unternehmen dazu erheblich beigetragen hat, kann die anteilige Übernahme der Kosten für Klimaanpassungsmaßnahmen rechtlich eingefordert werden.

Die Politik hat nun zwei Möglichkeiten auf das Urteil zu reagieren: Entweder sie bleibt untätig. Betroffene müssen weiterhin langjährige und teure Prozesse auf sich nehmen, um ihr Recht zu durchzusetzen – angesichts der Fortschritte in Klimawissenschaft und Recht werden diese zunehmend erfolgreich sein. Unternehmen, die erheblich zur Klimakrise beitragen, müssen mit dem hohen rechtlichen Risiko und der Ungewissheit ihrer Haftung für Klimafolgen wirtschaften.

Alternativ schaffen politische Entscheidungsträger eine sachgerechte Lösung, die Gerechtigkeit für Betroffene, die Entlastung von Gerichten und Planungssicherheit für Unternehmen sicherstellt. Beispiele, wie sich das rechtlich regeln lässt, kommen ausgerechnet aus dem Land, welches nun zum zweiten Mal aus dem Pariser Abkommen aussteigt. In den USA machen einige Bundesstaaten deutlich, dass sie einen anderen Kurs fahren als der derzeitige Präsident.

Polluter Pays-Gesetze als Inspiration für Regelung in Deutschland

Das im Umweltrecht verankerte Verursacherprinzip („Polluter Pays Principle“) besagt, dass derjenige zahlen muss, der den Schaden verursacht. Die US-Bundesstaaten Vermont und New York haben ganz in diesem Sinne vergangenes Jahr „Polluter Pays“-Gesetze verabschiedet, die sogenannte Klimasuperfonds einrichten. In diese Fonds zahlen die größten CO2-Emittenten des jeweiligen Bundesstaates ein, um die Kosten für die Wiederherstellung und für Infrastrukturverbesserungen, die vor Klimafolgen schützen sollen, zu decken.

So wird die finanzielle Last von Betroffenen und Steuerzahlenden auf fossile Unternehmen verlagert. Initiativen für nahezu identische Gesetze gibt es in Kalifornien, Maryland und Massachusetts. Zudem wurde Anfang Februar erneut auf US-Bundesebene ein „Polluters Pay Climate Fund Act“ eingebracht. Das Gesetz verlangt von den größten Förderern fossiler Brennstoffe in den USA die Einzahlung von einer Milliarden US-Dollar in einen Klimafonds zur Finanzierung einer Vielzahl von Maßnahmen zur Bekämpfung der Auswirkungen der Klimakrise.

Auf diese Weise könnten auch in Deutschland Unternehmen an den Kosten für Klimaschäden und deren Prävention beteiligt werden. Dabei wären mit Blick auf das Urteil des OLG Hamm, dass sich mit der Verantwortung für die Gletscherschmelze und Flutgefahr in Peru auseinandersetzt, Klimafolgen über die deutschen Grenzen hinaus einzubeziehen. Ein Fondmodell gab es im deutschen Kontext schon zur Beteiligung der Betreiber von Kernkraftwerken für die Kosten der Entsorgung radioaktiver Abfälle und ähnliches wurde im Kontext der Wiedernutzbarmachung von Braunkohletagebauflächen diskutiert. Die Logik dahinter: Verursacher werden auf klar geregelte Weise zur Kasse gebeten, damit die zweifelsohne anfallenden enormen Kosten nicht von der Gesellschaft und Betroffenen getragen oder mühsam eingeklagt werden müssen.

Kostenbeteiligung von Großemittenten ist notwendig und gerecht

Alleine für Deutschland werden die Kosten der Klimaschäden bis 2050 auf 280 bis 900 Milliarden Euro geschätzt. Insgesamt könnten sie deutlich höher sein, denn beispielsweise Todesfälle, der Verlust von Biodiversität sowie Auswirkungen auf den Wasserhaushalt sind in der Rechnung nicht enthalten. Ohne stärkere Emissionsreduktionen und die Beteiligung von den Profiteuren der Klimakrise ist nicht absehbar, wie diese Kosten gestemmt werden können.

Die Beteiligung von großen fossilen Unternehmen für von ihnen mitverursachte Klimaschäden ist eine Sache der Notwendigkeit und der Gerechtigkeit. Dafür sollte es jetzt eine klare politische Regelung geben. Andernfalls gilt weiterhin, aber ab jetzt mit deutlich höheren Erfolgsaussichten: Betroffene der Klimakrise weltweit werden klagen. Die rechtliche Grundlage dafür hat das Oberlandesgericht Hamm auf die Klage von Saúl Luciano Lliuya mit dem gestrigen Urteil geschaffen.

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