Gericht entscheidet am 14.04.2025

Am 14. April wird das Gericht mitteilen, wie es in der Klimaklage von Saúl Luciano Lliuya gegen RWE weitergeht. Hier findest du alle Informationen zur Klage und der anstehenden Entscheidung.

Klimaklage Saúl vs RWE: „Ein historisches Urteil, an dem sich Gerichte weltweit orientieren können“ - Interview

Urteil 2025

Große Emittenten können grundsätzlich für Klimarisiken zur Verantwortung gezogen werden. Das hat das Oberlandesgericht am 28. Mai in der Klimaklage von Saúl Luciano Lliuya gegen RWE in seinem Urteil entschieden und damit Rechtsgeschichte geschrieben. Die Klage von Saúl wurde allerdings abgewiesen, da es das Flutrisiko für sein Grundstück als nicht ausreichend einstufte.  Rechtsreferentin für strategische Prozessführung, Francesca Mascha Klein hat das Verfahren begleitet und erklärt uns im Interview, warum das Urteil ein wichtiger Präzedenzfall ist.

Bevor wir uns das Urteil anschauen, könntest Du uns kurz schildern, worum es in diesem Verfahren ging? 

Francesca Mascha Klein:  Es ging in Saúls Klage darum, einen der größten Emittenten Europas – RWE- für seine Emissionen zur Verantwortung zu ziehen. Saúl forderte, dass sich das Unternehmen an Schutzmaßnahmen an einem bedrohlich angewachsenen Gletschersee oberhalb der Stadt Huaraz beteiligt.  RWE trägt mit seinen Emissionen zu dem Risiko einer Flutwelle bei, deswegen soll es auch anteilig für Schutzmaßnahmen aufkommen. 

Nach fast zehn Jahren rechtlichem Prozess hat das Oberlandesgericht Hamm im Mai sein Urteil gefällt. Was genau hat das das Gericht entschieden?

Das Gericht hat entschieden, dass große Emittenten nach dem deutschen Zivilrecht zur Verantwortung gezogen werden können. In über 50 Seiten Urteil führt das Gericht aus, warum der Anspruch von Saul rechtlich schlüssig ist. Das heißt, Betroffene können nun gerichtlich einfordern, dass sich die großen Verursacher der Klimakrise an den Kosten von Klimafolgen beteiligen – auch über Landesgrenzen hinweg. Das ist ein juristischer Meilenstein. 

Warum wurde die Klage dennoch abgewiesen? 

Nach Auffassung des Zivilsenats konnte im spezifischen Fall nicht bewiesen werden, dass das Hausgrundstück von Saúl Luciano Lliuya mit einer hinreichend hohen Wahrscheinlichkeit durch eine Gletscherflut beeinträchtigt wird. Das Gericht folgte dabei dem Gutachten über das Flutrisiko, das die gerichtlichen Sachverständigen im Sommer 2024 vorgelegt hatten und das im Fokus der mündlichen Verhandlung im März 2025 stand. Die gerichtlichen Sachverständigen schätzten die Wahrscheinlichkeit eines Gletscherseeausbruchs (GLOF), die Saúl Luciano Lliuyas Grundstück erreichen würde in den nächsten dreißig Jahren auf ein Prozent ein. Die Sachverständigen stützen sich dabei auf Ereignisse aus der Vergangenheit und übertrugen sie auf die Zukunft. Dabei blendeten sie Felsstürze als Auslöser einer Flutwelle aus sowie die Tatsache, dass diese mit der fortschreitenden Klimakrise immer häufiger auftreten. Die Klägerseite hatte mit Sachverständigen aus der Klima- und Gletscherwissenschaft argumentiert, dass besonders aufgrund des Klimawandels ein hohes Flutrisiko besteht. Dem ist das Gericht allerdings nicht gefolgt und hat die Klage daher abgewiesen. 

Wie hat Saúl die Urteilsverkündung erlebt?

Saúl war zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung mit seiner Familie in Huaraz. Wir haben ihn über Whatsapp auf dem Laufenden gehalten. Er hat sich über dieses bahnbrechende Urteil sehr gefreut! Natürlich war er ein wenig enttäuscht, dass das Gericht seine Klage abgewiesen hat. Doch für ihn war klar, er wollte mit seiner Klage nicht nur im Einzelfall gewinnen, sondern die Rechte aller Menschen, die den Gefahren der Klimakrise ausgesetzt sind, gegenüber den Verursachern stärken. Das ist ihm gelungen. 

Unternehmen wie RWE argumentieren, dass Klimawandel zu komplex sei und sich Verantwortung nicht einfach auf einzelne Unternehmen zurückführen ließe. Was haben die Richter:innen dazu gesagt?

Francesca Mascha Klein: Die Richter:innen haben in ihrem Urteil zahlreiche Argumente der fossilen Industrie widerlegt. Auch das Argument, der Klimawandel sei zu komplex, alsdass einzelne Unternehmen haftbar gemacht werden könnten. 
Das Gericht hat deutlich gemacht, dass es in Saúls Klage um klar identifizierbare CO₂-Emissionen geht, deren weltweite Auswirkungen wissenschaftlich belegt und nachvollziehbar sind. Nach der Carbon Majors-Studie trägt RWE nachweislich rund 0,4 % zur menschengemachten Erderwärmung bei. Das Gericht hat anerkannt, dass dieser Beitrag von RWE erheblich ist — vergleichbar mit dem ganzer Industriestaaten wie Schweden oder Spanien. Wer in besonders hohem Maß zur Klimakrise beiträgt, muss auch Verantwortung dafür übernehmen. Das entspricht dem Verursacherprinzip und ist nach Auffassung des Gerichts Ausdruck einer „wertebasierten Rechtsordnung“.

Erwartest Du jetzt weitere ähnliche Klagen?

Francesca Mascha Klein: Betroffene der Klimakrise können die Verursacher nun rechtlich zur Verantwortung ziehen. Ähnliche Vorschriften wie in Deutschland existieren auch in anderen Ländern. Laut unseren Recherchen gibt es vergleichbare Regelungen in mindestens 15 Ländern wie in der Schweiz oder in Japan. Auch dank der Fortschritte in der Klimawissenschaft lassen sich die Ursachenzusammenhänge immer genauer nachweisen   Das Verfahren wurde von Menschen aus aller Welt verfolgt. Sicherlich wird es ähnliche Klagen in anderen Ländern geben. 

Hat das Urteil auch Auswirkungen auf die Politik?

Francesca Mascha Klein: In diesem Verfahren wurde deutlich: Nicht die Unternehmen, die jahrzehntelang von klimaschädlichen Geschäftsmodellen profitiert haben, zahlen den Preis der Klimakrise – sondern meist Betroffene im Globalen Süden und Staaten mit historisch geringen Emissionen. Für die politische Entscheidungsträger:innen bietet sich jetzt die Möglichkeit für Klarheit und Gerechtigkeit zu sorgen: Indem sie verbindlich regeln, wie Betroffene entlastet und Unternehmen mit hohen Emissionen für die Folgen der Klimakrise in die Pflicht genommen werden können. Beispiele für Regelungen gibt es beispielsweise auf den Philippinen und in einigen US-Bundesstaaten. Jetzt ist Deutschland am Zug.

Wie geht es nun weiter für Saúl und die Menschen in Huaraz?

Francesca Mascha Klein: Die Situation in Huaraz ist ernst. Die Folgen des Klimawandels sind längst Realität: Felsabbrüche und Lawinen häufen sich, zuletzt kamen bei einem Erdrutsch in der Region zwei Menschen ums Leben. Doch Saúl, die lokale NGO Wayintsik Perú und wir von Germanwatch bleiben dran.  Saúl prüft zusammen mit seiner Anwältin Dr. Roda Verheyen das Urteil und mögliche nächste rechtliche Schritte. Auch politisch bleiben wir aktiv: Germanwatch wird die Bedeutung dieses Falls weitertragen – besonders im Rahmen der internationalen Klimaverhandlungen – und sich für die Rechte und den Schutz besonders betroffener Menschen stark machen.

Damit wir dranbleiben können, brauchen wir Sie.

Mit Ihrer Spende helfen Sie, dass es nach dem Urteil weitergeht. Dass Saúl und andere besonders betroffene Menschen nicht allein stehen. Und dass dieses Urteil nicht das Ende, sondern der Anfang eines weltweiten Umdenkens ist. 

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